Das Miramienische Imperium

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Nach dem Ende von Bodnak lebten die Menschen verstreut in einer Vielzahl kleiner Reiche. Als ihren Hochkönig hatten sie den Herrn von Zadar anerkannt, der nach numilischer Tradition durch die Baumprobe bestimmt wurde. Etwa alle 250 Jahre fiel die Krone von Zadar einem anderen Reich zu. Obwohl die Namen der frühen Hochkönige überliefert sind, wissen die Gelehrten ansonsten fast nichts über die Zeit, die auf den Fall von Bodnak folgte.

Die Gründung der Stadt Miramia ist im Dunkel der Legenden verborgen. In jener Zeit hat es zwischen Rotem Fluss und Ardistanischem Hügelland etliche Stadtstaaten gegeben, die sich durch Eroberungen zu den kleinen Königreichen von Vogesia, Farnese, Malinda, Tilanda und Arcona entwickelten. Beständig herrschte zwischen den Staaten Krieg, und auch innerhalb der Reiche gab es Unruhen. Der Sage nach waren es zwei Prinzen aus Vogesia, die aus ihrer Stadt vertrieben worden waren und an der Mündung des Farno die Stadt Miramia gründeten.

243 Jahre war Miramia ein Königreich, ehe der letzte König vertrieben und die Republik ausgerufen wurde. Jetzt begann die Expansion. Arcona war das erste Reich, das von Miramia geschluckt wurde. Hiernach fielen Vogesia, Farnese und Malinda, und zuletzt wurde auch Tilanda nach fünfjähriger Belagerung der Miramienischen Republik angeschlossen. Die Gegensätze zwischen den Freien Städten, wie sie heute genannt werden, schwanden, und seit dieser Zeit haben die Städte des Südens die miramienische Sprache gemein.

Im Jahr 433 nach der Gründung Miramias eroberte Gondrian, der Schafstöter, das Hochland von Ardistan. Miramia raubte die Schätze und Reichtümer des als minderwertig geschmähten Nachbarvolks und verschleppte viele seiner Menschen in die Sklaverei - ein Schlag, von dem sich Ardistan bis heute nicht erholt hat.

In den folgenden Jahrzehnten fielen Korn und Ikila an die Miramiener, deren Legionen nördlich des Endlosen Waldes bis Dhor vordrangen. Als die Stadt im Jahr 546 miramienischer Zeitrechnung fiel, waren beide Enden der Waldstraße in miramienischer Hand. Die Legionen drangen noch weiter nordwärts vor und eroberten gar das Reich von Mundis. Damit war die hochkönigliche Burg auf Zadar von miramienischem Territorium umschlossen. Nominell waren die Herren von Miramia weiterhin dem Hochkönig unterstellt. Tatsächlich aber hätte es kein Hochkönig überlebt, wenn er sich gegen die neuen Herren des Südens gestellt hätte.

Im Jahr 621 erreichten die Miramiener die Küsten des Nordmeers und unterwarfen das Volk der Aalstader. Nur Eukar genoss noch einige Jahre der Unabhängigkeit, ehe es auch erobert wurde. Dann waren die Miramiener Herren über alles Land östlich des Roten Flusses. Berauscht von der Allmacht krönte sich der erste Imperator. Die miramienische Republik war beendet, und nun begann die Herrschaft der größenwahnsinnigen Kaiser.

Zwei schicksalhafte Begebenheiten ereigneten sich etwa 1000 Jahre nach der Gründung Miramias. Das erste war die Ankunft der Haronen. Imperator Pavianus wies diesem seefahrenden Volk Land im eisigen Norden zu, jenseits des Weißen Flusses, wo es selbst den Aalstadern zu kalt ist. Das zweite Ereignis war, dass derselbe Pavianus die Religion des Wahren Gottes annahm, eine zuvor unbedeutende Sekte, die nun zur Staatsreligion wurde. Sein Sohn Belisarion übernahm ebenfalls den neuen Glauben und entwickelte missionarischen Eifer, die Religion den unterworfenen Völkern aufzuzwingen, was auf großen Widerstand stieß. Auch das Sumpfland westlich des Roten Flusses, an dem zuvor keiner der Imperatoren Interesse gezeigt hatte, wollte Belisarion bekehren. Bei diesem Versuch erlitt er eine vernichtende Niederlage. Dies war der Anfang vom Ende des Imperiums.

Da Belisarion eine ganze Legion im Roten Land verloren hatte, wähnten einige der unterworfenen Völker den Zeitpunkt für günstig. Aalstad, Mundis und Dhor verbündeten sich und warfen die Miramiener aus ihrem Land. Die verbliebenen miramienischen Besatzer in Eukar, nun vom Nachschub abgeschnitten, wurden auf den Stufenpyramiden den eukarianischen Göttern geopfert.

Belisarions Nachfolger schafften es mit Mühe, die Herrschaft über die verbliebenen Territorien aufrecht zu erhalten. Sie unterließen die Versuche der Missionierung. Um den Aufstand in Korn niederzuschlagen, verbündeten sie sich mit den ikilanischen Inselfürsten, mit denen sie sich hiernach die Herrschaft über Korn teilen mussten. Doch der Aufschub währte nur hundert Jahre, dann flohen die Miramiener aus den Ländern östlich des Waldes, und zuletzt mussten sie auch Ardistan aufgeben.

Die Imperatoren herrschten jetzt nur noch über die Städte des Südens, und diesen Machtbereich sollten sie weitere 350 Jahre halten. Doch sie waren nicht mehr die Herren der Welt. Im Norden kämpften Aalstad und Mundis um die Vorherrschaft, und Miramiener wurden nördlich des Waldes nicht mehr gesehen. Zuletzt verloren die Imperatoren auch ihre ältesten Besitzungen: Vogesia, Farnese, Malinda und Tilanda erklärten sich zu Freien Städten.

1693 Jahre nach der Gründung von Miramia verlor das geschrumpfte Imperium mit Arcona seine letzte Provinz. Die Wirren nutzten die anderen Freien Städte, die gemeinsam in Miramia einmarschierten und den letzten Imperator vom Thron stürzten. So wurde Miramia zum Fürstentum, das es bis heute geblieben ist.