Über die NumilenDas Blaue Volk werden die Numilen genannt, und wenig Liebe wird ihnen von den meisten Menschen entgegengebracht. Bestenfalls wird die Existenz des Sumpfvolkes ignoriert. Die Menschen von Aalstad haben in früheren Jahren gar Trupps zusammengestellt, um die Wälder nach Numilendörfern zu durchkämmen. Diese wurden angezündet und ihre Bewohner massakriert. In den letzten Jahren ist es aber ruhig geworden am Grünen Fluss, der die Grenze zwischen den Reichen der Numilen und der Menschen darstellt. „Hast du schon einmal einen Numilen gesehen, Alberto?“ Die Menschen haben nur selten begriffen, dass die Numilen ein großes Volk mit ebenso vielen Fraktionen wie die Menschen selbst sind. Die Taten einzelner Numilen fielen daher stets auf alle zurück. So stellte sich erst Jahre nach dem Haronenkrieg heraus, dass die Numilen, die sich mit Fürst Bartolomeo von Miramia verbündet und das Farnland verwüstet hatten, eine Gruppe verfemter Söldner waren, die im Numilenland in niedrigem Ansehen stand. Dem Großteil des Blauen Volkes waren die Menschen und ihre Angelegenheiten gleichgültig. Was die Menschen dazu verleitet, die Numilen zu verachten, ist neben ihrem fremdartigen Äußeren vor allem das Wissen darum, dass alle Länder einst von Numilen beherrscht waren. Menschen mussten um Erlaubnis bitten, wollten sie frei in Norlan umherwandern oder eine neue Siedlung gründen. Der Hochkönig der Numilen herrschte in jener Zeit auf Tuun-aal-Qohk, jener Burg, die heute als Zadar bekannt ist. Daneben hatten sie eine Art religiöses Zentrum namens Yeo-bin-Oohk, heute eine fast vergessene Ruinenstätte im Westen des großen Waldes. Das Misstrauen jener Zeit wurde mit der Ankunft des Namenloses Volkes und des Prinzipals gebrochen. Der neue Feind schweißte Numilen und Menschen zusammen. Unter dem Numilenkönig Gur-bej-Nam kämpften beide Völker in der numilischen Feste Yyn-y-Qruuk, die heute als die Waldschanze bekannt ist. Der Prinzipal wurde besiegt und der große Vertrag geschlossen, in dem Norlan zwischen den Namenlosen einerseits sowie Menschen und Numilen andererseits geteilt wurde. So trafen sich die Führer von Menschen und Numilen auf der Brücke, die den Grünen
Strom quert. Die Menschen entsandten Grondig, achtundsechzigster König von Bodnak und in
direkter Linie Abkömmling jener ersten Menschen, die an die Strände Norlans gespült wurden.
Für die Numilen aber erschien Gur-bej-Nam, einst Turmwächter in Yeo-bin-Oohk und seit
nunmehr dreiundsechzig Jahren Hochkönig auf Tuun-aal-Qohk. Ewige Freundschaft wurde von beiden
Seiten beeidet, und unser Herr Grondig schwor Gur-bej-Nam die Lehenstreue. Große Zuversicht
herrschte, als die Heere der Menschen und Numilen vereint waren. Man erzählt, dass sich
sogar der Prinzipal hierüber beunruhigt habe. Nach der Teilung währte der Friede zwischen Menschen und Numilen nicht lange. Nach nur 36 Jahren überfiel Vangen, der siebzigste König von Bodnak, die numilischen Städte am Weißen Fluss. Es war der erste von fünf blutigen Numilenkriegen. Erbittert kämpften die einstigen Verbündeten gegeneinander, und am Ende waren die Menschen siegreich. Fünfzehn Jahre währte dieser fünfte und grausamste Numilenkrieg. Menschliche Banner
wehen nun über Burg Zadar, doch der Preis war schrecklich. Bodnak ist nicht mehr, und seine
Königsfamilie ist ausgelöscht. Die Numilen haben die Waldschanze verlassen, und ihre Dörfer
entlang des Roten Stroms und des Farno sind vernichtet. Beide Seiten haben furchtbare
Verluste erlitten, doch noch immer wird das Morden fortgesetzt. Wie dieser Zwist ausgeht,
sollen andere Chronisten schreiben. Das große Reich Bodnak wird nicht mehr auferstehen, und
diese Chroniken werden geschlossen. In den folgenden Jahrhunderten gingen Menschen und Numilen getrennte Wege. Die Numilen blieben in den Sümpfen verborgen, und nur noch selten spielten sie in der von Menschen aufgezeichneten Geschichtsschreibung eine Rolle. Heute, über 2500 Jahre nach dem Ende des letzten Numilenkriegs, wissen selbst die Gelehrten wenig über die Numilen. Wie alt sie werden, wie sie sich fortpflanzen, wie sie ihren Alltag verbringen, wie viele es von ihnen überhaupt gibt - auf all diese Fragen sind keine befriedigenden Antworten gefunden worden. Doch wen kann es angesichts der blutigen Geschichte wundern, dass die Numilen so wenig mitteilsam sind. „Wir erklären in später Stunden, Tarben Numilenfreund!“ sagte Qal-bej-Oohk. „Jetzt aber sind viele Worte gewandert von meinem Mund zu eurem Ohr, und viele Worte sind gewandert von eurem Mund zu meinem Ohr, und mein Mund ist müde, und mein Ohr ist müde. Müde und müde und müde. Jetzt wollen wir uns feiern, wir wollen uns essen, wir wollen uns trinken, und wir wollen erfreulich sein!“
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